Zur Geschichte der Finnougristenkongresse
Nach dem Zweiten Weltkrieg war es lange fast unmöglich, internationale finnougristische Kooperationen durch den Eisernen Vorhang zu organisieren. In den 1950er Jahren gelang es den finnischen und ungarischen Finnougristen, zu einigen Fachtagungen auch internationale Gäste einzuladen, und 1960 konnte endlich der erste Internationale Finnougristenkongress in Budapest stattfinden. Die Initiatoren waren eine kleine Gruppe von anerkannten und einflussreichen Finnougristen, so wie Kustaa Vilkuna und Lauri Posti in Finnland, Gyula Ortutay in Ungarn, der Russe Boris Serebrennikov und der führende estnische Finnougrist Paul Ariste in der Sowjetunion, oder Wolfgang Steinitz in der DDR.
Seitdem finden die Kongresse alle fünf Jahre statt, zuerst abwechselnd in drei (Ungarn, Finnland, Sowjetunion), dann vier Staaten (Ungarn, Finnland, Estland, Russland):
- 1960: CIFU I, Budapest, Ungarn
- 1965: CIFU II, Helsinki, Finnland
- 1970: CIFU III, Tallinn, Estland (damals: Sowjetunion)
- 1975: CIFU IV, Budapest, Ungarn
- 1980: CIFU V, Turku, Finnland
- 1985: CIFU VI, Syktyvkar, Komi, Sowjetunion
- 1990: CIFU VII, Debrecen, Ungarn
- 1995: CIFU VIII, Jyväskylä, Finnland
- 2000: CIFU IX, Tartu, Estland
- 2005: CIFU X, Joschkar-Ola, Mari El, Russland
- 2010: CIFU XI, Piliscsaba, Ungarn
- 2015: CIFU XII, Oulu, Finnland
Von Anfang an sind die Kongresse von einem internationalen Kommittee organisiert worden, zu welchem neue Mitglieder in den Sitzungen (im Zusammenhang mit der Kongresse) kooptiert werden können (s. Veranstalter).
In der Sowjetperiode kam den Kongressen eine versteckte ethnopolitische Funktion zu. Die Kongresse ermöglichten Kontakte durch den Eisernen Vorhang und stellten einen internationalen Rahmen dar, wo VertreterInnen der kleinen finno-ugrischen Völker ihre ethnische Identität öffentlich in einem finno-ugrischen Kontext ausleben konnten. Dementsprechend waren die ersten CIFU-Kongresse von reichen Kulturprogrammen geprägt, und sie wurden von den Gastgeberstaaten oft großzügig unterstützt. Diese kulturellen und symbolischen Funktionen sind heute von anderen Institutionen und Projekten übernommen worden, so wie die Weltkongresse der finno-ugrischen Völker (zuletzt in Lahti 2016 und in Tartu 2020).
CIFU XIII, der zum ersten Mal in einem "nichtfinno-ugrischen Staat" stattfinden wird, hat sich zum Ziel gesetzt, die Finno-Ugristik als ein internationales Forschungsfeld zu fördern und bekannt zu machen, jenseits von nationalen und ethnopolitischen Zielsetzungen. Die Finno-Ugristik wird sowohl in nationalen als auch in internationalen institutionellen Rahmen geübt, und als Wissenschaftszweig ist sie mit vielen anderen Forschungsgebieten und Wissenschaftsdisziplinen eng verbunden (z.B.: allgemeine, historische und typologische Sprachwissenschaft, angewandte und Soziolinguistik, allgemeine und vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaften, Ethnographie, Archäologie und Geschichte von Nordeurasien, Minderheitenforschung, Native Studies und Postcolonial Studies, usw. usf.). Der Kongress will Kooperationen zwischen Nationen und Disziplinen, über die Grenzen von Schulen und Forschungstraditionen hinweg, fördern und inspirieren.